Geschichten aus Sihanoukville und Phnom Penh. Und warum ich jetzt alleine reise.
26 03 2011Ich melde mich aus Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. Früher als geplant kamen wir hier an und kehrten Sihanoukville vorzeitig den Rücken zu. Eigentlich war ein Strandurlaub geplant, was aber aufgrund des Wetters (heftigster tropischer Sturm) nicht möglich war und Niki und mich dazu veranlasste, schlechten Angewohnheiten wie dem Glückspiel nachzugehen. Niki kündigte beim Abendessen noch an, bevor überhaupt irgendwas passiert war, dass er das Gefühl hatte, dass etwas passiert heute. Er sollte Recht behalten und eine nicht näher zu beziffernde, aber nicht unerhebliche Summe im Casino verlieren.
Spontan fuhren wir also mit dem Bus nach Phnom Penh. Nachdem wir uns billigen Schnaps besorgt hatten (eine Flasche für umgerechnet 80 Cent) ging es in zwei Clubs hier in Phnom Penh, wo wir wirklich viel Spaß hatten. Wir tanzten bis in die frühen Morgenstunden.
Am nächsten Tag ging es, nachdem wir ausgeschlafen hatten, zum Völkermordmuseum Toul Sleng. Das Museum ist in einer ehemaligen Schule untergebracht, die während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer 1975 bis 1979 zu einem Gefängnis umfunktioniert wurde. Das superkommunistische Regime unter der Führung von Pol Pot verfolgte die Ideologie, Kambodscha in einen Bauernstaat umzuwandeln. Zur Erreichung dieses Ziels wurden insgesamt 2 Millionen Menschen, hauptsächlich Gelehrte aus der Oberschicht und ihre Familien, umgebracht.
Toul Sleng diente hierbei als Zentrum zur Folterung und Verhörung der Gefangenen. Es ist unvorstellbar und kaum in Worte zu fassen, welche Verbrechen die Roten Khmer begangen haben und es ist ein sehr bedrückendes Gefühl, in den Räumen umher zu laufen, in denen tausende Menschen unter qualvollen Bedingungen litten und starben. Man kann es sich immer schlecht vorstellen, wie die Zellen damals genutzt wurden. Deshalb hier einmal folgende Visualisierungen:
Ich selbst stellte und setzte mich auch einmal in eine solche Zelle. Es ist ein unfassbar bedrückendes Gefühl, man kann sich nicht ausstrecken, geschweige denn großartig bewegen. Dazu der Geruch des Gebäudes. Die Gefangenen durften oft nur ein Mal in zwei Monaten duschen. Es müssen grausame Bedingungen gewesen sein.
Am nächsten Tag fuhren wir zu den sogenannten „Killing Fields“, etwa 15 Kilometer außerhalb von Phnom Penh. Hier wurden die Gefangen aus Toul Sleng exekutiert. Die unbeschreibliche Grausamkeit der Roten Khmer wurde auch hier wieder deutlich. Die Gefangen wurden auf bestialische Weise umgebracht. Munition war zu teuer, deshalb wurden sie oft nur mit Rohren oder Schaufeln erschlagen. Kleine Babys wurden an den Füßen gepackt und gegen einen Baum geschleudert, bis sie tot waren. Dieser Baum steht heute immer noch.
Zum Gedenken wurde eine große Stupa errichtet, in der sich um die 9000 Schädel getöteter Gefangener aufstapeln. Auch hier war die Stimmung natürlich wieder sehr bedrückend. Gleichzeitig gehört es für mich dazu, über die Geschichte des Landes zu lernen und solche Orte zu besuchen. Übrigens ist das Lachen sowohl in Toul Sleng, als auch auf den Killing Fields verboten, aus Respekt vor den Opfern.
Es ist ein ergreifendes Erlebnis, an Orten wie Toul Sleng oder den Killing Fields zu sein. Trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass man irgendwie den Ausmaßen der menschlichen Katastrophe nie wirklich gerecht werden kann. Es ist schwer auszudrücken, was ich damit meine… Es ist für mich nur so: Man besichtigt die Stätte, schaut sich alles an und ist auch betroffen. Trotzdem beschäftigt man sich innerlich noch immer mit vielen, sehr alltäglichen Dingen. Ist vielleicht auch nicht immer hundertprozentig bei der Sache, da man mit den Gedanken abschweift.
Ich versuche dann immer, die Besuche möglichst kurz zu halten, dafür aber mit voller Konzentration. Auch gehe ich zu manchen Orten, wie zum Beispiel den Massengräbern bei den Killing Fields, mehr als einmal, da ich dann irgendwie das Gefühl habe, mich ausführlicher damit zu beschäftigen. Anschauen, das Gesehene verarbeiten und dann noch einmal zurückkehren. Aber jeder fühlt sich sicherlich anders.
Später am Tag fuhren wir zu Daniel, einem Flensburger, der in Phnom Penh wohnt und dort in einer Schule arbeitet. Wir fuhren raus in einen Vorort und besuchten die Schule. Spontan wurden Niki und ich als Englisch-Lehrer eingeteilt und so unterhielten und unterrichteten wir für zwei Stunden die Kinder und Jugendlichen. Es war ein sehr tolles Erlebnis und es war schön, sich mit den Jugendlichen unterhalten zu können.
Niki und ich haben dann nach einigen Tagen Überlegung uns entschlossen, dass wir uns für eine Woche trennen. Er ist ein bisschen reisemüde und es hat ihm in der Schule so gut gefallen, dass er dort jetzt für eine Woche unterrichten wird. Ich hingegen spüre immer noch, dass ich unterwegs sein muss. Ich kann im Moment schlecht auf einem Fleck bleiben, bin eher rastlos und möchte herumkommen. Ich werde nun also morgen mit dem Bus nach Kratie fahren, wo ich hoffentlich einen Blick auf die seltenen Irrawady-Flussdelfine werfen kann. Danach geht es für mich weiter in den wilden Nordosten Kambodschas, wo ich 2 bis 3 Tage im Dschungel verbringen werde. Danach geht es für mich zurück nach Phnom Penh, ich werde vielleicht auch noch ein oder zwei Tage in der Schule wohnen und arbeiten, bevor Niki und ich unsere Reise gemeinsam fortsetzen. Wir werden es sehen!
Kategorien : Kambodscha